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wohngeschichten

Hendrik Müller: „Jede Art von Architektur erfährt ihre Bedeutung erst durch Licht.“ (1/2)

"Die Bedeutung von Licht stammt aus unserer kollektiven Erinnerung an die Menschheitsgeschichte."

Hendrik Müller: „Jede Art von Architektur erfährt ihre Bedeutung erst durch Licht.“ (1/2)

Als Architekt, der sich mit seinem Partner Georg Thiersch und deren Münchner Architekturbüro 1zu33 auf das Kernthema „Marke im Raum“ fokussiert, gelingt es Hendrik Müller ebenso, auch bewohnten Räumen eine Identität zu verleihen. Eloquent bezeichnet er den Charakter eines Wohnraums als Konzept, das den eigenen Lifestyle ganzheitlich beschreibt.

Um dies zu erzielen, schöpft er Inspiration seit seiner Kindheit aus unterschiedlichsten Quellen. „Meine Großeltern haben im Schwarzwald gelebt, sodass ich viele Kindheitserinnerungen an die Natur habe; es hat mich schon immer fasziniert, wie das Tageslicht schöne Stimmungen erzeugt. Gerade wenn man sich einen Wald vorstellt, mit einem grün bemoosten Boden, auf den das Licht durch die Baumkronen fällt, dann hat das etwas sehr Magisches an sich.“

Alle Bilder stammen von Cody James.

Sonja: Welche Priorität hat eine Rauminszenierung in Sachen Beleuchtung bei euren Projekten? In welcher Reihenfolge findet die Lichtkonzipierung statt, wenn ihr Räume plant?

Hendrik: Licht hat einen sehr hohen Stellenwert. Erst mal geht es um eine dreidimensionale Raumgestaltung, um ein Konzept zu erstellen für ein Raumgefüge. Beim Wohnen hat man ja in der Regel einen sehr hohen Tageslichtanteil, sodass mit einer gewissen Gestaltung durch Kunstlicht, das Raumkonzept unterstützt werden muss. Die soll aber auch den atmosphärischen Ansprüchen an die einzelnen Räume Rechnung tragen. Primär steht bei uns der Raum im Vordergrund, die verwendeten Materialien, und die nächste Priorität hat das Licht.

Sonja: Ihr habt ein Restaurant-Projekt gestemmt, bei dem die Lichtinszenierung und der Schwarzwald besonders prominent im Zentrum stand. Magst du davon erzählen?

Hendrik: Für Gaggenau in Los Angeles haben wir kürzlich ein Pop Up-Restaurant geschaffen. Letztes Jahr wurde dieses Konzept bereits in New York umgesetzt, um uns mit dem 333. Gründungsjubiläum von Gaggenau zu befassen. Diese Marke, die 1683 im Schwarzwald entstand, ist aus einer Nagelschmiede nach dem 30-jährigen Krieg vom Marktgraf von Baden gegründet worden. Und diesen Gründungsfunken, diese Wurzel wollten wir in diesem Konzept spürbar machen. Wir haben uns für eine Inszenierung entschieden, die den Schwarzwald thematisiert und einen innenräumlichen Kontext transportiert. Wir wollten diese regionale Identität spürbar machen, und gleichzeitig ein dramaturgisches Bühnenbild und szenografische Ansätze gestalten. Die Lichtgestaltung haben wir durch im Raum postierte, sieben Meter hohe Bäume inszeniert, die durch das Pattern der Äste eine Textur ergeben und ganz stark das Gefühl erzeugen, dass es ein Dinner im Wald ist. Der 3-Sternekoch Daniel Humm aus New York hat mit uns an diesem Konzept gearbeitet.

Licht kann ein starkes Gefühl von Gemeinschaft hervorrufen

„Denkt man zurück war, vor nicht allzu langer Zeit, das Kerzenlicht oder Lagerfeuer der zentrale, soziale Ankerpunkt für eine Gemeinschaft. Mit heutigem Licht können wir dieses Gefühl fördern und die Stimmung entsprechend führen.“

 

 

Sonja: Wie habt ihr logistisch und technisch dieses gigantische Waldprojekt bewerkstelligt?

Hendrik: Wir waren im elften Stock eines Warehouses, das war also sehr anspruchsvoll, besonders weil der Lastenaufzug nur 2,5 Meter hoch war. Wir haben mit Leuten zusammengearbeitet, die aus dem Setbau kommen und regulär an Hollywoodproduktionen mitarbeiten. Mit ihnen gemeinsam haben wir nach einer Lösung für die Bäume gesucht. Es war sehr aufwendig. – Über das gesamte Projekt ist ein Artikel in der New York Times erschienen, der ein Making Of mit dem Schreiner zeigt. Ein Fotograf hat den Aufbau begleitet, wie wir die Bäume mit Lattenunterkonstruktionen gebaut und zusammengesetzt haben. In der Mitte war Metall, dann kamen Holzlatten drauf, und mit einer Silikonmasse haben sie von echten Bäumen als Negativform die echte Rinde abgeformt und repliziert. So konnten wir sogenannte „tree skins“ herstellen, die praktisch Gummimatten sind in Form einer Baumrinde. Die haben wir um die Unterkonstruktionen gebaut, in die wir seitlich echte Äste gesteckt haben.

Sonja: Konntet ihr diese aufwendige Konstruktion zumindest lassen? Hat sich der Aufwand gelohnt?

Hendrik: Nein, das war nur für drei Abende. (lacht) Das erste Mal haben wir es in New York gebaut, mit einem ganz normalen Wald, und dann kam der Wunsch des Kunden, dass wir uns in Los Angeles noch etwas Besonderes ausdenken, weil es dort nie schneit. Die Idee kam auf, dass wir eine Winterlandschaft bauen. Wir haben Schnee imitiert, indem die Bäume mit einer Spritzpistole nass gemacht wurden, und Zellstoff darüber geworfen, der später exakt wie authentischer Schnee aussah. Dieses Inszenieren mit Licht macht mir persönlich wahnsinnig viel Spaß, weil man sonst nirgends solche Effekte erzielt.

Hendrik: Wie man auf den Bildern sehr gut sieht, um auf die Lichtgestaltung zu kommen, haben wir ringsum mit einem hohen Blauanteil im Licht gearbeitet. Das war nicht so blau, wie es hier auf dem Bildschirm aussieht, weil die Optik der Kamera dieses Blau viel stärker macht. Überall wo sich Leute aufhalten, haben wir hingegen ein sehr warmes Licht gewählt, das aber gleichzeitig so gebündelt ist, dass wir dann auch die Reflexe auf dem Essen widerspiegeln. Das ist sehr wichtig bei der Raumgestaltung speziell von Restaurants. Dass das Licht gebündelt ist, die richtige Lichtfarbe hat, und ich auf dem Geschirr, den Speisen und auf den Gläsern die richtigen Reflexe erzeugt, damit das Essen auf dem Teller appetitlich aussieht.

Sonja: Warum bündelt sich warmes Licht ausgerechnet dort, wo Menschen essen und zusammenkommen? Worin begründet sich diese atmosphärische Qualität?

Hendrik: Licht hat schon sehr viel damit zu tun, was ein Gemeinschaftsgefühl und menschliche Nähe ausdrücken soll, und die aus unserer kollektiven Erinnerung an die Menschheitsgeschichte stammen. Die in uns bewirken, ob wir uns nun wohlfühlen oder nicht. Um einen kleinen Ausflug zu machen – wir leben jetzt zwar im 21. Jahrhundert, in einer modernen Welt, die wir uns geschaffen haben, aber die Industrialisierung hat ja erst vor 150 Jahren begonnen. Bis die Glühlampe erfunden wurde, hatte man nur Kerzenlicht und Öllampen. Wenn man noch weiter zurückgeht, zum Homo sapiens, der in seiner Frühform in Afrika entstand – diese Wurzeln, diese langjährige Geschichte, stecken immer noch in unserer DNA. Die Zivilisation hat sich über tausende von Jahren entwickelt, doch wenn man abends mal am Lagerfeuer sitzt, und es ist hinten kalt ist und vorne warm wird, dann strahlt das auf uns eine unglaubliche Magie aus. Dieses Feuer, wenn man hineinschaut, berührt in uns einen Nerv, der mit diesen ganz alten Wurzeln zu tun hat. Das ist genau dieses Gefühl, wenn ich im Restaurant am Tisch sitze. Kerzenlicht ist eine Verkleinerung dessen, was die Menschen früher hatten, wenn sie in einer Höhle ums Feuer gesessen sind.

Sonja: Ein solches Konzept ist sicherlich nur dann umsetzbar, wenn der Kunde großes Vertrauen in eure Lichtkenntnisse setzt?

Hendrik: Über zehn Jahren haben wir geschafft, ganz unterschiedliche Facetten dieser alten Marke Gaggenau zu beleuchten, sodass wir mit dem 333-jährigen Jubiläum nicht nur die Pop Up-Restaurants, sondern einen ganzen Themenzyklus ausarbeiten konnten, samt Messestand auf der Eurocucina in Mailand, der eher etwas Museales hatte. Dieser Messestand stellte ein abstrahiertes, fragmentiertes Wohnhaus dar, das die komplette Lifestyle-Welt von Gaggenau abzeichnet. Vor dem Haus ein geparktes Auto, bis hin zu Licht und Ausstattungsgegenständen im Innenraum und besondere Materialien, die einen holistischen Ansatz abzeichnen. Es gibt sogar ein Patio, in dem wir mit Pflanzen arbeiten, und von der Lichtinszenierung war die Herausforderung, mit unterschiedlichen Lichtqualitäten einen Innen- und Außenraum abzugrenzen. Schon allein diese große, 20 Meter lange Wand homogen auszuleuchten, war nicht einfach.

Sonja: Wo kommt bei solchen holistischen, ganzheitlichen Projekten deine Inspiration her? Gehst du viel in die Natur oder hast mittlerweile einfach viel Erfahrung?

Hendrik: Ich sammle in meinem Kopf sehr viele Dinge. John Pawson, ein Architekt aus London, der relativ minimalistisch arbeitet, hat ein Buch geschrieben, das eher wie ein Ausstellungskatalog wirkt und „Visual Inventory“ heißt. In dem Buch sind Bilder abgedruckt, die er in seinem Kopf über längere Zeit mit sich herumträgt. So geht es mir auch – ich speichere Dinge, die ich sehe, und habe ein gewisses Repertoire, aus dem ich immer schöpfen kann. Das ist nicht nur durch Architektur inspiriert, sondern auch durch Kunst, Mode oder sämtliche Alltagsmomente, die mich interessieren. Filme sind auch eine große Inspirationsquelle für mich. David Lynch zum Beispiel war visuell sehr inspirierend für mich, in Bezug auf das Schwarzwald-Konzept hatte ich die Szenerie der „Twin Peaks“-Serie, genauer gesagt, die Black Lodge vor Augen. Der geheimnisvollen Ort im Wald war in unserer Inszenierung hingegen die Gaggenauer Nagelschmiede. (lacht)

Sonja: Interessant ist, wie sich solche technischen Hilfsmittel beim Film, aber auch in der Architektur über die Jahre ändern. Wie hast du die hohe Schule des perfekten Lichts gelernt?

Hendrik: Trial and error, eigentlich. Ich bin sowieso in vielen Dingen ein Autodidakt. Ich habe zwar an der Kunstakademie in Stuttgart Architektur studiert, aber mich bereits im Studium selbstständig gemacht mit eigenen Kunden. Ich habe leider – oder zum Glück – nie in einem echten Architekturbüro gearbeitet, sondern war immer selbstständig oder habe unterrichtet, zum Beispiel an der TU München oder als Gastprofessor an der Kunstakademie. Aber was das Umsetzen und Entwerfen angeht, musste ich die Dinge, die ich im Studium gelernt habe, immer selbst für mich ausarbeiten, unter Berücksichtigung aller Gesetze und Vorgaben, die unser Beruf so mit sich bringt. (lacht) Das unterscheidet unser Büro von vielen anderen, dass wir keine vorgegebenen Prozesse adaptieren, und die mit Leben erfüllen, sondern uns die Prozesse selbst formen, indem wir uns die Freiheit nehmen, Vorgänge zu hinterfragen und zu interpretieren.

Sonja: Hast du für dich ein Gebäude oder Projekt, das du besonders bewunderst?

Hendrik: Oh ja, sehr viele! Angefangen vom Pantheon in Rom, das in Zusammenhang mit Lichtgestaltung ein Gebäude ist, das mich sehr tief beeindruckt hat. Als Tempelbau hat er eine sehr sakrale Anmutung und verfügt nur über eine kreisrunde Öffnung in der Kuppel, durch die je nach Tageszeit, je nach Jahreszeit, hellerer oder diffuserer Lichtstrahl trifft, der den ganzen Raum vereinnahmt. Das ist eins der stärksten Beispiele, das ich für mich als Vorbild definieren würde. Das ist in einer Linie für mich wie die Blaue Grotte auf Capri, in der man das Licht als physikalisches Phänomen wahrnimmt. Das macht sich auch so magisch, dass das Licht so indirekt reflektiert wird, und eine ganz spezielle Färbung hat und im Raum Reflexe durch die Wasseroberfläche erzeugt. Total magisch!

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