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Rudi Steppan: „Zusammenleben ist die effektivste Form der Integration.“

Leerstand sinnvoll nutzen: In vier ehemaligen Kinderzimmern im Allgäu richten sich zwei Familien aus Eritrea ein.

 

Rudi Steppan: „Zusammenleben ist die effektivste Form der Integration.“

Für Rudi Steppan geht am selben Tag ein wichtiger Lebensabschnitt zu Ende, an dem für die siebenjährige Arisema einer beginnt: Das pfiffige Mädchen aus Eritrea hat ihren allerersten Schultag vor sich – und der 63jährige Allgäuer verabschiedet sich in die Frührente.

Das wäre soweit nicht verwunderlich, würden die beiden nicht seit Neuestem eine Wohngemeinschaft formen – zusammen mit fünf weiteren Eritreern, sowie Rudis Ehefrau Johanna Steppan und deren Vater nebenan.

Als die vier eigenen Kinder aus dem Haus in allerlei Studentenstädte zogen, stand ein gesamtes Stockwerk der Doppelhaushälfte in Kaufbeuren-Neugablonz leer. Mitunter wurden ein Hobbyraum, Wäschezimmer und ein Büro installiert, doch der viele Platz lag weitgehend brach.

Gastfreundschaft hatte schon immer eine große Bedeutung gespielt – von Austauschschülern über Verwandte, Gastarbeitern bis zum „Leih-Enkel“ und Patensohn Chris beherbergte das Haus schon eine Vielzahl an Menschen. In seiner ehrenamtlichen Asylarbeit, speziell im benachbarten Dorf Rieden, begegneten Rudi Steppan häufig Menschen auf dringender Wohnungssuche und so reifte der Entschluss, die alten Kinderzimmer sinnvoll aufzuwerten.

Am Sonntagnachmittag vor Arisemas Schulanfang geht ein lustiger Trupp – samt Opa an der Krücke und kleinem Bruder im Kinderwagen – ihren zukünftigen Schulweg ab. Sie lernt die Verkehrsregeln vom mittlerweile leicht ergrauten Rudi, der sie seinen Kindern vor 25 Jahren auf derselben Straße beibrachte. Albern balanciert er auf Pflastersteinen, bringt das Mädchen mit Grimassen zum Lachen und erläutert Arisemas Mutter derweil ein paar nützliche Vokabeln.

Ein abendliches Gespräch über sein eher ungewöhnliches Renten-Projekt:

Sonja: Mich interessiert besonders der Entscheidungsfindungsprozess. Wie kam es dazu, dass zu euch ins Haus sechs Eritreer gezogen sind?

Johanna: Naja, die Kinder sind schuld! Die sind halt ausgezogen! (lacht)

Rudi: Der Zeitpunkt hat sich durch den Umstand ergeben, dass das Asylheim in Rieden geschlossen wurde. Seit ziemlich genau 37 Jahren gab es diese Einrichtung. Früher war es mal das Arbeiterwohnheim einer Fabrik gewesen, bis die Boat People aus Vietnam ankamen. Seitdem war es immer von ungefähr 80 Menschen bewohnt, hätte aber dringend saniert werden müssen. Wir haben bei den Ämtern auf eine Entscheidung zwischen Schließung oder Verbesserung gedrängt; zuletzt lebten noch etwa 60 Bewohner dort, die eine anderweitige Bleibe suchten. – Für die sechs Personen, die jetzt in unserem Haus wohnen, war der Umzugstermin ein Kriterium. Arisema sollte pünktlich mit der Schule beginnen können. Weil die Grundschule in der Nähe unseres Hauses ist, ergab eins das andere. Die Sommerferien nutzten wir noch für die Renovierung unseres Hauses.

Sonja: Was musste am Haus alles gemacht werden?

Rudi: Die hauptsächliche Arbeit war, ein ehemaliges Kinderzimmer in eine Küche umzubauen, samt Wasseranschlüssen und Spülmaschine. Es musste alles gestrichen werden, im Wohnzimmer wurde ein TV-Anschluss installiert, Fenster geputzt, Möbel geschleppt… In der Garage lagert immer noch einiges. Im Hintergarten haben wir für die Kinder ein Trampolin aufgestellt und auch sonst vieles Nützliches geschenkt bekommen. Beim Umzug haben wir alle zum Helfen eingeteilt und jeder musste mit anpacken.

Johanna: Nur das Zimmer unserer Tochter Rike wollten die künftigen Bewohner so lassen – sie hat damals eine große Weltkugel an die Wand gemalt und das hat ihnen wohl gut gefallen. (lacht)

 

Sonja: Wie habt ihr euch genau für die sechs Eritreer entschieden? Ihr standet ja im Vorfeld mit vielen anderen Bewohnern des Asylheims ebenso in engem Kontakt.

Rudi: Ja, für ungefähr die Hälfte der Bewohner waren wir Bezugspersonen. Aber grundsätzlich dürfen wir nur die Leute privat aufnehmen, die schon eine Anerkennung haben. Die anderen, die sich noch im laufenden Verfahren befinden, können nur im Asylheim untergebracht werden. Ursprünglich wollten wir auch nur eine Familie aufnehmen, aber weil die beiden Mädchen, Arisema und Rosa, sehr eng befreundet sind, sowie die Mütter auch, sind nun beide eingezogen. Wir wissen allerdings, dass dieser WG-ähnliche Zustand keine Lösung für immer ist.

Sonja: Der erste Schritt war also, dass ihr eure Wohnverhältnisse beim Jobcenter offenlegt?

Rudi: Ja genau, zunächst einmal muss festgestellt werden, ob der Wohnraum ausreichend ist, Privatsphäre bietet und die Anbindung gut ist. Unsere Beraterin beim Jobcenter begleitet uns bereits seit eineinhalb Jahren, daher kannte ich die Rahmenbedingungen für separate Wohnungen. Als es dann darum ging, in unserem eigenen Haus eine Wohngemeinschaft zu gründen, mussten wir zunächst den schriftlichen Mietvertrag vorlegen, um grünes Licht zu erhalten. Das Jobcenter sorgt dann für die Überweisung der Miete.

Sonja: Woher kommt die Motivation für diese Entscheidung?

Rudi: Meine Motivation leitet sich davon ab, dass wir eine Not sehen bei den Leuten. Wir sehen, dass wir etwas geben und sie etwas brauchen können. Dass man sehr leicht jemand anderem helfen kann, in eine neue Welt einzusteigen. Das Zusammenleben bietet da die bessere Möglichkeit, sich in eine Kultur einzufinden, als Asylbewerber irgendwo in einem abgelegenen Haus „abzustellen“. Menschen an der Hand zu nehmen, gemeinsam zu wohnen und zu leben, ist die effektivste Möglichkeit, sie zu integrieren. – Eine Motivation ist auch, dass wir Christen sind und es uns nicht egal ist, was aus ihnen wird. Man nimmt Anteil, man hat sich gegenseitig lieb gewonnen, und ahnt, dass es mit dem Zusammenleben funktionieren könnte. – Als wir ins Bürgerbüro kamen, saß dort eine ehemalige Schulkameradin aus meiner Clique am Schreibtisch und fragte mich, „Rudi, weißt du überhaupt, was du da tust?“ und ich musste sagen, „Nein, nicht genau.“ (lacht) Ich muss es einfach auf mich zukommen lassen, auch wenn es da natürlich einige Zweifel geben könnte.

Sonja: Ist es euch schwer gefallen, die Zeit loszulassen, in der eure Kinder hier noch gewohnt haben?

Rudi: Etwas komisch war es natürlich schon, sich bewusst zu machen, dass manche Dinge nicht mehr möglich sein werden – alle vier Kinder samt Partner gleichzeitig einzuladen, zum Beispiel.

Johanna: Bei mir dauerte der Ablöseprozess von den Kindern länger, als ich gedacht hätte. Es ist mir nicht leicht gefallen. Darum brauche ich für diese Veränderung einfach noch mehr Zeit.

Sonja: Wünscht ihr euch, mehr Haushalte würden sich dazu entscheiden, überflüssige Räume so zu nutzen?

Rudi: Ja, definitiv! Wir sehen bei vielen einen inneren Motor, der in Richtung Selbstständigkeit geht, aber eine Unfähigkeit, alles genau zu verstehen. Wir können ihnen auf dem Weg in die Selbstständigkeit etwas mitgeben, bis sie sich vollkommen frei bewegen können und mit der Sprache zurechtkommen. Wir bieten ihnen vor allem eine Art Hintergrundsicherheit.

Sonja: Könnt ihr das empfehlen und seht ihr da einen Lösungsansatz für viele Probleme, die sich zum Beispiel in Flüchtlingsheimen abspielen?

Rudi: Ich könnte mir das Asylverfahren zum Beispiel auch als eine Art Au Pair-Pool vorstellen, bei dem man sich bewirbt und eine Familie oder einen Haushalt zugeteilt bekommt. Nach zwei Monaten mit unsere Mitbewohnern kann ich resümieren, dass sie uns eine Mischung aus Respekt und Zuneigung entgegenbringen und ein großes Vertrauen. So würde ich das beschreiben. Sie versuchen uns immer was Gutes zu tun und uns öfters eine Portion Injera (eritreische, pikant-säuerlicher Pfannkuchen mit einer Art Gulasch) zu servieren, obwohl wir doch auch an der bayrischen Küche hängen. (lacht) – Ich würde unbedingt jedem empfehlen: Nehmt jemanden auf, gebt demjenigen eine Chance und die Sicherheit, dass er oder sie nicht alleine ist. Gastfreundschaft ist ein Gewinn auf beiden Seiten.

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