wohngeschichten
Amrei Korte: „Wandel ist eine positive Herausforderung“
Im Zentrum der gastronomischen Veränderung müssen Menschen und ihre Bedürfnisse stehen.
Amrei Korte: „Wandel ist eine positive Herausforderung“
Amrei Korte beim Kochen zu erleben, suggeriert, es sei die kontemplativste Beschäftigung seit Yoga: Ruhig und besonnen, humorvoll und selbstsicher behandelt sie nicht nur Zutaten und Küchengeräte, sondern gleichermaßen Personal oder Gäste. In der Münchner Kustermann Kochschule, wo sie häufig Events bekocht oder Kurse hält, unterrichtet sie die Teilnehmer in Fingerfertigkeiten, Lebensmittelkunde, aber vor allem Achtsamkeit.
Dass sich in ihrem Lebenslauf die Liebe zu (spanischen) Appetithäppchen niederschlägt, ist nicht nur an ihrem regelmäßigen Angebot von Tapas-Kursen abzulesen, sondern auch einer eigenen Kochschule, die sie Barcelona gegründet und mehrere Jahre betrieben hat. Seit ihrer Rückkehr nach Deutschland ließ sie sich hier zum systemischen Coach, Trainer für Resilienz und Stressmanagement, für Somatische Intelligenz und Mentales Ressourcenmanagement ausbilden. Sie gibt Führungskräftetrainings, berät selbstständig Hotels, Restaurants und Kantinen, aber auch Unternehmen, Sportler und Privatpersonen, die in Gesundheitsfragen einen ganzheitlichen Ansatz suchen. Im Gespräch über zukunftsweisende, technische Entwicklungen in der Gastronomie sowie heimischen Küche verwundert es also kaum, dass im Fazit nicht die (Küchen-)Maschine, sondern stets der Mensch im Zentrum steht.
Sonja: Amrei, die Liebe zu gutem Essen wurzelt tief bei dir. Wie hat deine Familie das geprägt?
Amrei: Selbstgemachtes Essen und saisonale Lebensmittel standen in meiner Familie immer im Mittelpunkt. Ich bin etwas außerhalb von München aufgewachsen, in einem Haus mit großem Garten und Tieren. Viel Zeit haben wir außerdem in Südtirol verbracht, wo wir mit dem Bauern zusammen Käse hergestellt, Butter geschleudert oder Speck geräuchert haben. Dort unmittelbar zu sehen, wo die Milch herkommt oder welches Heu die Kühe fressen, und ständig in der Natur zu sein, hat mich sehr neugierig und dankbar gemacht.
Sonja: Wie kam es dann zu deinem mittlerweile ziemlich breitgefächerten Beruf in der Gastronomie?
Amrei: Bereits während meines Marketing-Studiums habe ich immerzu in der Gastronomie gearbeitet und kam nie ganz davon los. (lacht) Aber ich wollte nicht nur arbeiten, sondern auch mehr über die Grundlagen von Ernährung lernen. Der Wissensdurst wurde so groß, dass ich nach meinem Berufseinstieg im PR-Bereich nochmal Ernährungswissenschaften studiert habe. Diese inhaltliche Ergänzung kam mir vor allem bei der Gründung meiner eigenen Kochschule sehr zugute.
Amrei: Für mich ist der wichtigste Ansatz, dass man unglaublich leicht Gesundes kochen kann!
Sonja: Ernährung ist ja ein sehr holistisches Thema. Was steht bei dir im Fokus?
Amrei: In dieses Thema einzutauchen, hat mir ganz neue Welten geöffnet. Als ich mit Ernährungswissenschaften begann, war der Glaube weit verbreitet, dass jeder, der sich gesund ernährt, ausschließlich rohe Karotten und Sellerie isst. (lacht) Für mich ist der wichtigste Ansatz, dass man unglaublich leicht Gesundes kochen kann! Man muss mehr Menschen zeigen, wie einfach es ist, sich lecker und gesund zu ernähren. – Zu dieser Zeit war ich oft in Asien unterwegs und habe die Küche dort als sehr geschmackvoll, ausgewogen erlebt. Die einzelnen Länder bieten höchst unterschiedliche, außergewöhnliche Zubereitungsarten, von denen ich mir viel abgeschaut habe.
Sonja: Was war der Anreiz oder die Motivation, eine eigene Kochschule ins Leben zu rufen?
Amrei: Mein damaliger Freund war Koch; ich habe ihn in England kennengelernt, als wir beide im selben Hotel arbeiteten. Gemeinsam sind wir nach Spanien, seine Heimat, gezogen, und haben uns dort selbstständig gemacht. Ein Restaurant wollten wir nicht eröffnen – da ist man schnell ein Sklave seiner selbst –, und mein Exfreund konnte schon immer wahnsinnig talentiert erklären und lehren, so lag die Idee einer Kochschule eigentlich auf der Hand.
Sonja: Gab es kulinarisch eine Spezialisierung?
Amrei: Nein, nicht wirklich. Er hat sehr gut und professionell asiatisch gekocht; in Japan und Thailand hatte er zuvor jahrelang gelernt und gearbeitet. Aber in Barcelona waren oft internationale Gruppen oder Firmen unsere Kunden, die dann freilich aus der spanischen Küche lernen wollten. Wir haben haufenweise Tapas, und klassische Paella gemacht; es kam stets gut an und hat viel Spaß gemacht. – Irgendwann wollte ich aber zurück nach Deutschland. Er hat meine Anteile übernommen und die Kochschule noch bis diesem Jahr weitergemacht. Die Zeit dort war sehr spannend, lehrreich und weil es dort praktisch noch keine Kochschule gab, waren wir Pioniere.
Sonja: Hast du es bereut, wieder zurück gekommen zu sein?
Amrei: Überhaupt nicht! (lacht) Auch wenn es viel Kraft gekostet hat, das Land zu wechseln. Ich habe gemerkt, dass ich mich der zwischenzeitlichen Veränderung anpassen und die Richtung meiner Selbstständigkeit neu justieren muss. Es folgte die Ausbildung zum Coach. Das war eine wahnsinnig gute Ergänzung. Mittlerweile coache ich viele Küchenteams, aber auch andere Unternehmen.
Sonja: Was sind im Coaching deine Schwerpunkte?
Amrei: Ich mache viel zum Thema Gesundheit und Resilienz, aber auch Kommunikationstrainings und Konfliktmanagement. Bei Firmen ist da viel Bedarf.
Sonja: Du begleitest Firmen und deren Mitarbeiter auch zum Thema Change Management. Wie definierst du das?
Amrei: Firmen stehen in einer ständigen Veränderung. Die Märkte wandeln sich, alles wird schneller, und Mobilität ist ein wahnsinnig präsentes Thema. Arbeitsplätze und -umgebungen werden neu gestaltet, ökologische, ökonomische, politische und viele andere Faktoren erfordern Wandel, und das laufend. Die Digitalisierung spielt natürlich auch eine große Rolle – das alles verunsichert natürlich auch die Mitarbeiter. Oft bedeutet „Veränderung“ ja auch, dass Stellen gestrichen werden. Oder dass plötzlich eine neue Chefin da ist. Wie kann ich Herausforderungen als Chance und nicht als Gefahr betrachten? Führungskräfte in diese Richtung zu schulen, damit sie ihre Mitarbeiter mitnehmen können, und die Psychologie verstehen, die dahintersteckt, ist sehr wichtig. Wie vermittle ich eine Vision? Wie kann ich mich auf die Veränderung einlassen? Das sind meine Themen, und auch hier steht der Mensch wieder im Mittelpunkt..
Sonja: Ist dir das ein besonderes Anliegen, weil du in deinem eigenen Leben stets viel Veränderung hattest?
Amrei: Ich brauche tatsächlich viel Veränderung. Von meinem Typ und meiner Einstellung her bin ich sehr veränderungsfreudig. Ich liebe neue Herausforderungen, mir wird schnell langweilig. Das kostet zwar sehr viel Kraft, weil ich mich permanent weiterbilde und ständig Jobs mache, die komplett neu sind für mich. Aber genau das bringt auch viel Abwechslung hinein.
Sonja: Oft habe bei Köchen der Gastronomie gegenüber eine Art Hassliebe erlebt: Man kann nicht mit, man kann nicht ohne.
Amrei: Entweder man liebt es, und nimmt mit, was sie eben so mit sich bringt, oder man ist auch ganz schnell wieder weg. Das wirkt immer so cool, aber meistens ist es einfach nur anstrengend. Du arbeitest immer dann, wenn andere frei haben, machst im Schichtdienst mehr Stunden wie eine Uhr. Gleichzeitig gibt es zum Glück ein paar Verrückte, die für die Gastronomie brennen und ihre ganze Leidenschaft und Herzblut hineinstecken. Dafür habe ich großen Respekt und Bewunderung.
Sonja: Wenn du an technologische Neuerungen in der Zukunft denkst: Welche Veränderungen stehen der Gastronomie bevor?
Amrei: Ich glaube, dass das Menschliche nach wie vor der ausschlaggebende Faktor bleiben wird. Wir Menschen wollen Kontakt und Zuwendung. Wir wünschen uns, gut behandelt zu werden. Klar wird es technische Neuerungen geben – die Bestellsysteme, ferngesteuerte Geräte, digitale Zahlmethoden. Das sind für mich aber eher Erleichterungen in den Prozessen. Letztendlich wird die größte Herausforderung sein, dass der Service trotz aller digitaler Hilfsmittel nah am Gast ist, und sich von der Technisierung nicht ablenken lässt. – Wie oft schaust du im Restaurant irgendwo hinter den Tresen, und die Kellner sind damit beschäftigt, auf ihren Smartphones herumzutippen; und bekommen überhaupt nicht mit, dass du versuchst, mit ihnen in Kontakt zu treten, um vielleicht noch was zu bestellen. Diese Art der mangelnden Aufmerksamkeit den Gästen gegenüber regt mich persönlich wirklich auf!
Sonja: Was wünscht du dir für den gastronomischen Teamzusammenhalt, auch mit smarten Geräten?
Amrei: Mir ist es wichtig, dass Service und Küche sich nicht bekriegen, sondern viel mehr zusammenarbeiten, und sich die digitalen Hilfsmittel gemeinsam zunutze machen. Als eine Einheit, als ein Team. Da ist noch einiges an Arbeit zu leisten, es läuft oft sehr viel schief.
Sonja: Welche Anforderungen siehst du in Zukunft hinsichtlich der Lebensmittel?
Amrei: Die Leute sollen merken, dass das Schönste ist, ein ehrliches Produkt zu genießen – da wünsche ich mir noch mehr Achtsamkeit. Molekularküche und Co. ist zwar mal ganz nett, aber letztendlich wollen wir essen und satt werden, und genau wissen, was da auf dem Teller liegt. Ein gutes Produkt, das wenig behandelt wird, ist für mich immer noch das ehrlichste. Immer mehr Menschen teilen diese Perspektive.
Sonja: Der nachhaltige Trend, sich viel mehr mit der Herkunft eines Produkts zu befassen, gilt ja auch für den Heimbedarf, und ist nicht ausschließlich ein Signum der Gastronomie. Siehst du hier ein Potential?
Amrei: Absolut! Ich glaube tatsächlich, dass es das Wichtigste ist, die Wahrnehmung zu schärfen, die nicht eigennützig ist, sondern sich auch um die Gesellschaft kümmert. „Was will ich essen, wo kriege ich es her, wie kann ich es zubereiten?“ – Diese Fragen werden sich nicht maßgeblich ändern, und gehen alle Schichten etwas an – auch wenn wir beide uns natürlich eher in Gruppen bewegen, wo ein intelligentes Umdenken stattfindet. Ein Großteil der Leute hat keinen Bock mehr auf überkandidelten Fake sowie schlechte Behandlung der Tiere und der Ressourcen! Diese Art von ganzheitlichem Bewusstsein wird uns letztlich nur vorwärts treiben.
Sonja: Danke für deine Zeit!
Wenn Amrei kocht, wird nicht adrenalingeladen Perfektion vorgeführt, sondern jedes Röschen Blumenkohl, jede Pistazie und jede Bratkartoffel behutsam als vollwertiger Teil des kulinarischen Erlebnisses betrachtet. Das sogenannte „Mise en Place“ – eine möglichst effiziente, systemische Anordnung in Gastroküchen – ähnelt bei Amrei Korte einem appetitlichen Stillleben. Sorgfältig wird Wildbrokkoli blanchiert, ein Mangodessert mit Grand Marnier reduziert, geröstete Mandeln einzeln mit Karamel glasiert, junge Möhrchen wohlwollend sautiert.
Zu ihren Kochkursen geht es hier entlang.