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Tanzen im alten Kinderzimmer

Wenn das alte Kinderzimmer bei den Eltern zum Corona-Notfall Trainingsstudio wird - Tanzstudentin Bianca erzählt im Interview von ihrem Auslandssemester, das auf einmal online Zuhause bei Ihren Eltern stattfand.

 

Tanzen im alten Kinderzimmer

An der Anton-Bruckner-Universität in Linz studiert Bianca gerade im letzten Semester zeitgenössischen Tanz und steht parallel dazu für das Landestheater in Linz auf der Bühne. 2020 sollte für sie ein Jahr voll neuer Erfahrungen sein, denn das Auslandssemester in Israel stand vor der Tür. Dass alles anders kommen sollte, hat der Fülle an neuen Erfahrungen nicht im Wege gestanden, nur kamen diese ganz anders als erwartet. Gerade mal ein paar Wochen in Jerusalem waren vergangen, die ersten Unterrichtsstunden vollbracht und das WG Zimmer mit kleinen Details personalisiert, als der Shutdown kam und Bianca zurück nach Deutschland musste. Nachdem sie keinen aktuellen Wohnsitz in Linz hatte, gab es nur eine Option: das alte Kinderzimmer im Süden von München, wo Sie schon seit Jahren nicht mehr wohnte, zum Corona-Notfall Tanzstudio umzuwandeln.

 

An ihrer ganz anderen Wohngeschichte lässt sie uns heute teilhaben:

Amara: Als Tänzer, vor allem während der Ausbildung, seid Ihr recht klassische Tanzstudios mit Spiegeln und festem Boden gewohnt. Wie war für Euch die Umstellung, als auf einmal der Unterricht online abgehalten wurde und die gewohnten Räumlichkeiten nicht mehr zur Verfügung standen?

Bianca: Die Situation war auf jeden Fall in vielerlei Hinsicht eine Challenge. Wir Tänzer tun uns oft nicht leicht, Arbeit und privat zu trennen, da der Körper gleichzeitig Arbeitsplatz und Freizeit ist. Wir brauchen daher die räumliche Trennung von Tanzstudio und zu Hause, um die verschiedenen Einflüsse zu verarbeiten. Diese Trennung war für mich viele Wochen lang leider nicht möglich, denn in meinem Fall war meine neuer Ort zum Trainieren mein altes Kinderzimmer.

Der kleine Raum ließ wegen der vielen Möbel und Erinnerungen kaum Platz zum Tanzen. Statt mit den gewohnten großen Studiospiegeln zu trainieren, habe ich von da an nur noch in Bilderrahmen die Reflexion verschiedener Körperteile erahnen können. Was die Räumlichkeiten angeht, war mein Teppichboden wohl die größte Herausforderung. Ich hatte dadurch extreme Schwierigkeiten, viele Bewegungen so auszuführen, wie ich es gewohnt war und gelernt hatte. Ziemlich schnell habe ich dann gemerkt, dass sich meine Technik verändert hat oder sogar Teile davon verloren gegangen sind. Das Training ohne Gruppe, der Boden und der Platzmangel haben dazu geführt, dass viele Bewegungen monatelang ganz weggefallen sind, beispielsweise Sprünge, Bodenfrequenzen oder Übungen mit Partnern.

 

Amara: Welche Folgen hatten diese neuen Umstände für Euren Unterricht?

Bianca: Ziemlich viele, denn unsere Einstellung hat plötzlich nicht mehr gestimmt. Uns Tänzern wird während des Studiums immer wieder eingetrichtert, Raum einzunehmen und viel Platz zu nutzen. Dieser Leitsatz wurde durch die fehlende Fläche von einem Tag auf den anderen praktisch ausgehebelt. Darauf mussten unsere Lehrer schnell reagieren und so wurde der ganze Unterricht umgewandelt und viel somatischer. Das bedeutet, es wurde mehr auf das Potenzial der körpereigenen Intelligenz gesetzt und das mithilfe von Improvisationsübungen. Vielmehr wurden Aufgaben gestellt, die jeder mit den jeweils zur Verfügung stehenden Mitteln umsetzen musste. Das war super interessant, aber gleichzeitig auch extrem schwer.

Man ist nicht mehr wie gewohnt in den Unterricht gegangen, um Choreografien zu erlernen und nachzutanzen. Stattdessen durften wir eine ungewohnte Freiheit genießen, weil eben jeder seinen Umständen entsprechend die Aufgabenstellung erarbeiten sollte. Ich habe angefangen, diese Situation und die verschiedenen Orte als neue Möglichkeit für mich zu sehen. Um ein wenig Abwechslung in meinen Alltag zu bringen, hab ich an Gutwettertagen ein Eck im Garten für meine Vorlesungen genutzt, bin für die Umsetzung von Uni-Projekten in den Wald gefahren oder habe während der Semesterferien an leeren Stränden getanzt.

Amara: Statt intensiven Trainingseinheiten in sehr eingespielten Gruppen seid Ihr auf einmal alle alleine gewesen, wie hat sich das auf den Unterricht ausgewirkt?

Bianca: In unserem Studium spielt das Miteinander eine extrem wichtige Rolle, weil wir von morgens bis abends sehr intensiv, wirklich viel Zeit miteinander verbringen. Von der daraus resultierenden Gruppendynamik profitieren unsere Unterrichtsstunden enorm. Anders war das allerdings im letzten Semester, da war diese kaum mehr vorhanden. Zehn kleine Bildchen auf dem Computerbildschirm waren kein wirklicher Ersatz für Kommilitonen, mit denen man normalerweise Tag für Tag trainiert, schwitzt und Höchstleistungen erbringt. Man war auf einmal auf sich alleine gestellt.

Abgesehen davon waren aufgrund des Auslandssemesters alle in verschiedenen Ländern. Eine Kommilitonin war in Spanien, wo die Pandemie ganz andere Ausmaße angenommen hat als bei einem weiteren Mitstudenten in den USA oder einem unserer Professoren, der zurück nach Finnland musste. Das hat zu einer noch größeren räumlichen und emotionalen Trennung geführt. Jeder war unterschiedlich stark von der Situation betroffen und hat einen total anderen Alltag gehabt, das hat für eine ganz ungewohnte Stimmung innerhalb der Gruppe geführt.

 

Amara: Durch die Zeit die Du virtuell und physisch in drei Ländern gleichzeitig verbracht hast, hat sich dadurch Deine Einstellung zu Deinen künftigen Wohnorten verändert?

Bianca: Auf jeden Fall. Als Tänzer zu arbeiten, hat oft häufige Wohnungswechsel zur Folge, das habe ich schon früh akzeptiert. Aber dieses Jahr hat mir gezeigt, dass ich physisch und mental zu jedem Zeitpunkt nur an einem Ort sein möchte. Wenn ich irgendwo angekommen bin, will ich mich nicht parallel noch irgendwo anders aufhalten, ganz gleich wie schnell die Ortswechsel sind oder wie kurz bzw. lang der Aufenthalt sein mag.

An drei Orten gleichzeitig zu sein hat viel Energie gekostet und war oft ziemlich verwirrend. Mit einem Klick tanzt man mit Professoren aus Jerusalem, mit dem Nächsten wird in Linz trainiert, dann wird der Laptop zusammengeklappt und kurz in Deutschland Pause gemacht. 15 Minuten später startet die neue Vorlesung in Israel und das Ganze beginnt von vorne. Das hat dazu geführt, dass ich dieser extremen Schnelligkeit in Zukunft aus dem Weg gehen will und ab jetzt dem Ort, der zu dem Zeitpunkt mein Zuhause ist, meine volle Aufmerksamkeit schenken möchte.

Amara: Du hast es ja grad schon gesagt, Deine Zukunft als Tänzerin wird noch viele verschiedene Wohnorte mit sich bringen. Was macht für Dich dann “Dein Zuhause” aus?

Bianca: Zuallererst definiere ich mein Zuhause nicht über einen Ort, sondern über die Menschen um mich herum, über Leute, bei denen ich die Freiheit habe, ich selbst sein zu dürfen und lachen zu können. Bei häufigen Ortswechseln ist das die Konstante, an der ich mich am besten festhalten kann. Danach spielt erst ein Ort eine Rolle, aber auch nicht einer im Speziellen, sondern einfach einer, an den ich stets zurückkommen kann.

Ich liebe Ortswechsel und weiß, dass ich mich nicht an ein Plätzchen binden und dort für immer bleiben werde. Deshalb kann es gut sein, dass sich dieser Rückzugsort alle drei Monate ändert und von Land zu Land wechselt, das ist mir nicht wichtig. Mir gehts eher darum, zu wissen, dass ich den Schlüssel zu einem Ort habe, von dem ich starten und an den ich wieder zurückkommen kann. Ich hab für mich festgestellt, dass ich mein Zuhause in mir selber trage und deshalb ist es ganz gleich, wie der Rest aussieht.

 

Amara: Wie gestaltest Du Deine eigenen vier Wände und worauf legst Du besonders viel Wert?

Bianca: Aktuell bin ich seit ein paar Wochen zurück in Linz, mein drittes Jahr hier hat mit dem dritten Umzug in dieser Stadt begonnen. Wenn ich an die letzten zwei Wohnungswechsel zurückdenke, fällt mir vor allem auf, dass ich mit immer weniger Kisten umgezogen bin. Früher habe ich Menschen, die versuchen, recht minimalistisch zu leben, immer cool gefunden. Von jedem Ding immer nur eines zu besitzen, das fand ich stark, aber für mich war klar, ich brauche meine vielen kleinen Erinnerungen und bin damit glücklich. Inzwischen schaue ich in mein schlauchartiges Zimmer und ertappe mich dabei, wie ich selber diesen Minimalismus lebe und nicht mehr sonderlich viel brauche. Ich habe mein Bett, das direkt am Fenster steht, von wo man direkt ins Grün schaut, ein paar wenige Erinnerungen und ansonsten bleibt nicht viel mehr. Eine Ausnahme mache ich bei Büchern, ich kann einfach nie genug zu lesen haben!

 

Amara: Sollte es dann doch irgendwann mal soweit kommen, dass Du sesshaft wirst, hast Du einen Wohntraum?

Bianca: Für jetzt bin ich mit dem Leben in der Stadt wirklich glücklich, aber langfristig wird das wahrscheinlich nicht so bleiben. Durch die Nähe zum See, mit der ich aufwachsen durfte, habe ich recht schnell die Natur als Kontrast zu all dem Studio- und Bühnenlicht gehabt. Seit ich klein bin, träume ich deshalb von meinem eigenen Tanzstudio am Strand. Irgendwo im Warmen. Dafür würde ich mich auf einen Ort festlegen und bleiben.

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