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“Alles, was ich besitze, hat einen Sammlerwert.” – Ana Relvão

Zu Besuch bei Ana Relvão. Bevor wir überhaupt klingeln können, kommt uns die Industriedesignerin Ana Relvão mit ihrer grazilen Windhündin Ada an der Eingangstür entgegen, um kurz noch Gassi zu gehen. Später wird uns die gebürtige Portugiesin erzählen, dass der “Bulthaup dog” quasi in deren Werkstätten aufwuchs, als sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Gerhardt Kellermann viel in Aich arbeitete.

Bevor wir überhaupt klingeln können, kommt uns die Industriedesignerin Ana Relvão mit ihrer grazilen Windhündin Ada an der Eingangstür entgegen, um kurz noch Gassi zu gehen. Später wird uns die gebürtige Portugiesin erzählen, dass der “Bulthaup dog” quasi in deren Werkstätten aufwuchs, als sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Gerhardt Kellermann viel in Aich arbeitete. “Sie ist ein sehr fokussierter Hund, manchmal eher wie eine Katze. Sie unterbricht ihre Ruhephasen nur, wenn es sich wirklich lohnt, Energie aufzubringen” , lacht Ana und fügt hinzu: “Eigentlich ist sie mir charakterlich sehr ähnlich.” Tatsächlich scheint es in der wohltuenden, sonnig erleuchteten Dachgeschosswohnung am Goetheplatz, dass es sich hier perfekt zur Ruhe kommen lässt. Jeder Winkel wird von perfekt geschnittenem Mobiliar ausgefüllt, zu jedem Einrichtungsgegenstand hat die herzliche Gastgeberin etwas Legeres zu erzählen. “Oh, das Poster mit Charlie Brown in der Küche? Das habe ich von Ayzit Bostan bekommen, sie hat es ursprünglich für den Club Charlie entworfen.”

Sonja: Wie schön luftig ihr es hier habt!

Ana: Oh ja, ich bin sehr glücklich über diese Wohnung. An Portugal vermisse ich oft die Sonne und das Licht, hier fühle ich mich deswegen sehr wohl.

 

Sonja: Was ist dein liebstes Teil hier in der Wohnung?

Ana: Ich liebe Gegenstände, die eine Geschichte erzählen. Wir bekommen öfters Prototypen geschenkt oder geben Möbeln einen neuen Verwendungszweck, wie diesem Foot Stool von Mattiazzi. Alles, was ich besitze, hat in irgendeiner Form einen Sammlerwert, weil ich Einrichtungsstücke nicht einfach konsumieren möchte. Diese etwas plump aussehende Vase aus Beton hat mir beispielsweise ein Fabrikarbeiter zum Abschied geschenkt. Das hat mich unfassbar berührt! Ich hänge auch sehr an dieser alten, kaputten Kaffeetasse, die ein Geschenk von Gerrys Oma war.

 

Sonja: Gibt es etwas, das du nur aus Nostalgie behältst, aber eigentlich längst hättest wegwerfen müssen?

Ana: (lacht) Ja, diese fürchterliche Eule! Sie war ein Geschenk von einem Freund, der fand, dass sie mir ähnlich sieht, wegen der überproportional großen Augen. Gleichzeitig ist sie auch eine Spardose, sodass Gerry nicht mehr überall sein Kleingeld herumliegen lässt.

Sonja: Wie kam es, dass du Lissabon verlassen hast und hier nun ein Zuhause gefunden hast?

Ana: Der Studiengang, den ich belegt hatte, hieß “Equipment Design”, sozusagen eine sehr vielseitige Kombination aus Interior, Product und Exhibition Design. Danach hatte ich den Wunsch, mit Unterstützung eines Darlehens nach New York zu gehen und schickte einen Haufen Portfolios an Büros. Aus unerfindlichen Gründen hat es sich nicht ergeben, stattdessen erhielt ich sehr schnell eine Zusage von Stefan Diez für ein Praktikum. Als ich dort dann spätnachts in seinem Hinterhofatelier arbeitete, habe ich zum ersten Mal gespürt, welche Sicherheit München ausstrahlt.

Sonja: Als Industriedesigner gestaltet Stefan Diez hauptsächlich Möbel. Hat das deine berufliche Biografie stark beeinflusst?

Ana: Natürlich hat es das schon! Ich mag es, mich zu strukturieren und klar zu organisieren und habe viel gelernt. Aber Möbelstücke gibt es schon sehr viele; alles ist gefühlt schon da gewesen. Ich habe mich immer danach gesehnt, etwas ganz Neues, für mich Fremdes zu machen. Wie fühlt es sich an, eine Waschmaschine zu entwerfen?

Sonja: Gemeinsam mit Gerhard hast du lange Zeit für Bulthaup gearbeitet. Was war daran spannend für dich?

Ana: Wir hatten sehr eine sehr arbeitsreiche, lehrreiche Zeit bei den Projekten für Bulthaup. Für viele Designer wäre das auch weiterhin ein Traumjob gewesen, aber wir wollten unser Büro und unser Leben in München nicht dafür aufgeben, Teil des Kernteams zu werden. Das muss man wirklich, wirklich wollen. Uns war unsere Freiheit wichtiger, und wir haben gelernt, “Nein” zu sagen.

Sonja: Wie ging es dann weiter?

Ana: Wir haben zusammen mit einem Freund, Jan Heinzelmann begonnen an einem neuen Küchensystem für Holzrausch zu arbeiten, die sonst singuläre Küchen gestalten. Ebenso haben wir einen Einblick in andere Branchen bekommen, etwa als Design Consultants für Huawei. Das ist eine ganz andere Sprache, aber es war sehr konstruktiv für uns, solche Risiken einzugehen.

Sonja: Wie empfindest du das Miteinander in der Münchner Designszene?

Ana: Ab der ersten Erfahrung im Praktikum war ich extrem erstaunt, wie freundschaftlich verbunden alle miteinander sind. Gerry habe ich bei einem gemeinsamen Oktoberfest-Ausflug aller befreundeten Designbüros kennengelernt. (lacht) In der Nachbarschaft verbringen wir viel Zeit miteinander, Muck Petzet, Ayzit Bostan, Konstantin Grcic Büro,… Ich freue mich darüber, wie herzlich man miteinander umgeht, und wie viel Spaß das gemeinsame Arbeiten macht, wenn man dieselben Werte unterstützt.

Sonja: Was sind eure wichtigsten Prinzipien? Was bringt ihr euren Praktikanten bei?

Ana: Ich denke häufig an meinen Kunstlehrer, der uns sehr ausführliche, komplizierte Dinge zeichnen ließ, und dann von uns verlangte, die Bilder wegzuwerfen. Erst war ich total entsetzt. Die vergeudete Zeit! Das schöne Gemälde! (lacht) Aber im Nachhinein verstehe ich die Demut und Geduld, die er uns beibringen wollte. Ich versuche, Praktikanten dasselbe mitzugeben: Niemals mit dem ersten Entwurf zufrieden zu sein. Sich von Ideen zu lösen, sie zu verwerfen, immer wieder neu anzufangen und die Dinge neu und anders zu denken, als sie davor waren. Und ehrlich mit sich zu sein!

Sonja: Welches Designobjekt aus deiner Feder macht dich am meisten stolz?

Ana: Ich bin sehr glücklich mit dem Dual Carafe Set, das wir erst kürzlich entworfen haben. Es entspricht der japanischen Tradition, nur den Gästen einzuschenken und nicht sich selbst. Diese Form des Dienens fasziniert mich sehr. Du nimmst dir nicht selbst, sondern gibst deinem Gegenüber zuerst, und dein Freund dann dir. Die Karaffe und die Gläser fließen optisch asymmetrisch ineinander. Wir lassen es zurzeit aus mundgeblasenem Glas und Aluminium in Portugal produzieren und stellen es auf der Maison & Objet Messe vor.

Sonja: Wie fühlt es sich an, mit dem Partner nicht nur zusammenzuwohnen, sondern auch den Beruf und den Arbeitsplatz zu teilen?

Ana: Gerry ist nicht nur mein Geschäftspartner, sondern auch mein bester Freund. Das ist gewinnbringend für den Arbeitsprozess, weil wir extrem ehrlich miteinander sein können. Wir geben uns sehr direktes Feedback und kennen unsere Stärken und Schwächen wahnsinnig gut. Außerdem verbringen wir nicht so viel Zeit miteinander, wie es scheint: Wir sitzen zwar den ganzen Tag nebeneinander und arbeiten am selben Projekt, aber tauschen uns oft erst abends richtig aus. Ich fühle mich sicher, weil ich ihm in allem vertrauen kann.

Ihre großen Augen, die Ana selbst schon im Bezug auf die Eulen-Sparbüchse erwähnte, scheinen die Welt ganz genau erforschen und alles von Herzen begreifen zu wollen. Wen wundert’s, dass sie ausgerechnet für Brillengestelle ein besonderes Faible hegt: “Frame” ist ein Entwurf für das Label Mykita, denen sie ein in sich geschlossenes, ausstanzbares Konzept mit Origami-Technik präsentierte, mit der Überzeugung, dass “eine technische Lösung gleichzeitig auch immer einen ästhetischen Ansatz” haben soll. Man möchte Ana Relvão wünschen, dass sie noch viel Schönheit zu sehen bekommt.

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