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Anna Niestroj – „Ruhe und Platz zur Entfaltung ist mein größtes Bedürfnis“

Aus dem wilden Herzen Berlins in ein denkmalgeschütztes Amtsgericht im brandenburgischen Fläming – ein Umzug ins Unbekannte.

 

Anna Niestroj – „Ruhe und Platz zur Entfaltung ist mein größtes Bedürfnis“

Die Neuinterpretation von geschichtsträchtigen Räumen hin zu einer kreativ-künstlerischen Spielwiese birgt ungeahntes jungunternehmerisches sowie kommunales Potential. Anna Niestroj hat mit ihrem Lebensgefährten den Teil eines alten Polizeipräsidiums im brandenburgischen Jüterbog gemietet, um es auszubauen sowie kreativ und sozial zu bespielen.

Auf die bescheidene Bitte hin, die Durchreise nach Berlin mit einem Besuch verknüpfen zu dürfen (freilich vor allem, um dem ominösen Wohnprojekt „Das Tribunal“ Respekt zu zollen), erreichten mich vergnügliche Zeilen:

„Juhu, klar, kommt vorbei und übernachtet gerne hier! Dann können wir zusammen Feuer machen und Sterne gucken! Bitte erwartet keinen High End Standard; hier ist mehr oder weniger noch Baustelle und ein großes leeres Gebäude – aber es ist alles da, was man zum schönen Leben braucht! Wir haben noch zwei Forellen für den Grill und dazu jede Menge Gemüse aus dem Garten. Lasst mich wissen, wann ihr eintrefft, dann erwarten euch kühle Getränke!“

Als weitsichtige Trendforscherin und emsige Unternehmerin versteht es die Designerin Anna Niestroj seit über zehn Jahren, sich architektonisches Brachland und unerforschte Räume zu eigen zu machen. Mit ihrem Studio Blinkblink gründete sie im Berliner Wedding den ersten Co-Working Space, den man als „konkretes und experimentelles Kreativunternehmen“ betiteln konnte. Kürzlich schuf sie zudem die digitale Plattform „Mønster Patterns“, einen Onlineshop für Musterlizenzen, dessen Notwendigkeit sie gesehen hat, weil sie selbst nichts Vergleichbares fand. Ihr vielgestaltiges Angebot an Mustern richtet sich gleichzeitig an hiesige Hersteller und Verlage, wie auch selbstständige Handwerker und Freelancer. „Zusätzlich zu meinen Mustern bietet Mønster Patterns Expertise im Bereich Trends, Design, Druckmethoden und Fertigung. Langfristig will ich andere Künstler mit aufnehmen und ein Angebot kuratieren“, erklärt sie im Interview.

Dass man für die schier endlose Fülle bunter Skizzen, langer Stoffbahnen und Farbexperimente nicht nur einen Kopf voller geistreicher Ideen benötigt, sondern auch die räumliche Weite, um diese zu entfalten, liegt auf der Hand. Und je länger Anna in Berlin gelebt und häufig beruflich in anderen Großstädten wie Zürich und Hamburg verkehrt hatte, desto mehr war der Wunsch nach Platz und Stille gewachsen – fernab der pulsierenden, rauen Straßen. Zuletzt teilte sie eine kleine Wohnung mit ihrem Partner Sean, der sich als Toningenieur und Musiker für sein Equipment ebenso Geräumigkeit wünschte; als die beiden von dem ehemaligen Polizeipräsidium erfuhren, das in einer brandenburgischen Kleinstadt im Landkreis Teltow-Fläming nach künstlerischen Bewohnern verlangte, war der Entschluss schnell gefallen.

 

Es mag rückblickend für beide wie eine Katharsis scheinen, den langen Winter mit der Renovierung einer 200 Quadratmeter großen Wohnfläche verbracht zu haben, bevor der von ihnen gemietete Seitenflügel des „Tribunals“ bewohnbar schien; Bad, Heizung und Wasseranschlüsse stellte ihnen der Eigentümer zur Verfügung, dem der Mehrwert der ehemaligen Kreispolizeibehörde durch frischen Wind, junge Bewohner und gestalterische Nutzung ein Anliegen war.

Pünktlich zu den ersten warmen Tagen des Jahres hatten sie im April die Räumlichkeiten bezogen, und so sitzen wir nun am provisorisch montierten Pool im Hinterhof, umgarnt von angebauten Chilis und Tomatenstauden.

Sonja: Mir scheint, ihr lebt hier den wahr gewordenen Traum vieler urban verankerter Stadtmenschen, deren heimlicher Exilplan ist, „irgendwann ins Grüne“ zu ziehen. Was waren eure Beweggründe für den Umzug, fernab der romantisierten Version von ländlicher Idylle?

Anna: Mein größtes Anliegen war, weit weg von der schmutzigen Gerichtsstraße in Berlin zu sein. Im Wedding fiel mir zusehends die Decke auf den Kopf, ich sehnte mich nach Raum zum Atmen. Dennoch ist die Anbindung ein Kriterium gewesen. Ich selbst bin in einer sehr ländlichen Gegend aufgewachsen und fand es als Teenager natürlich richtig scheiße, dass nur zweimal am Tag ein Bus fuhr. (lacht)

Sonja: Wie geht ihr sonst mit dieser nahezu grenzenlosen Freiheit um? Wie hat sich der Bezug zur Stadt verändert?

Anna: Was sich natürlich nicht geändert hat, ist die Tatsache, dass wir in einer vernetzten Welt leben. Unser Bedürfnis war, nicht komplett abgeschieden zu sein von der Außenwelt. Als wir Jüterbog und dieses Gebäude zum ersten Mal besichtigt haben sagten wir uns „komme was wolle, wir ziehen hier ein, solange es einen Baumarkt in der Nähe gibt und wir nicht unbedingt ein Auto bräuchten, um von hier wegzukommen.“ Einen Baumarkt und viele Einkaufsmöglichkeiten gibt es glücklicherweise und ein Auto haben wir dann überraschend geschenkt bekommen. Der Busbahnhof des Ortes befindet sich direkt vor der Haustür und so haben wir nicht das Gefühl, dass unsere Gäste sich wie „Geiseln“ vorkommen, wenn sie uns besuchen. Manchmal wohnen Leute so abgeschieden, dass der Besuch vom Bahnhof abgeholt werden muss und nicht mehr alleine wegkommt. (lacht) Weil wir unglaublich gerne und oft Besucher haben, ist es schön, dass alle autark an- und abreisen können, ohne sich verpflichtet zu fühlen. So kommen Freunde häufig spontan zu Gast, bleiben so lange wie sie möchten und sind in der Mobilität flexibel.

Sonja: Ich kann gut verstehen, dass ihr oft Besuch bekommt – ihr habt euch hier eine wunderbare Insel geschaffen, die fast etwas Museales hat und einen vieles entdecken lässt. Man sieht, dass ihr viel Liebe zum Detail hineingesteckt habt. Wie ist mittlerweile euer Bezug zu diesem ungewöhnlichen, neuen Zuhause?

Anna: Es ist uns mittlerweile sehr ans Herz gewachsen und der Prozess der Renovierung war zwar ungeheuer anstrengend aber auch befreiend. Der Wohnraum, der gleichzeitig Küche und Arbeitszimmer ist, umfasst 100 Quadratmeter. Während des Umbaus habe ich mich oft gefragt, warum sich jemand so viel Mühe geben sollte mit diesem maroden DDR-Gebäude, zumal wir nicht mal wissen, wie lange wir überhaupt hier bleiben werden. Was geschieht mit all dieser Arbeit und dem Geld, das wir hier investieren, wenn wir wieder ausziehen? Ich stand hier im Raum an der Wand, mit der Tapete in den Händen, die ich abziehen musste, und hatte vor Augen, dass diese Wohnsituation nicht für die Ewigkeit ist. Es gehört uns nicht, alles ist ungewiss, und wir sind im Wissen darum. Gleichzeitig aber fragt man sich auch, was man stattdessen tun würde – auf Facebook scrollen, eine Serie angucken, oder in Berlin Mitte in einer Bar sitzen? Am Ende ist es dieselbe Art von Beschäftigung, nur kontemplativer. Und lieber bin ich hier, als in einem Park zu liegen und mir permanent dieselben Geschichte anzuhören, von Leuten, die eh nur am Smartphone hängen. Ein großer Faktor, von Berlin wegziehen zu wollen, war auch, dass das Leben in der Stadt durch die immense Entwicklung der Mobiltelefone einfach anders geworden ist; es kam mir zuletzt nicht mehr so interaktiv vor wie früher.

Sonja: Es ist offensichtlich, dass ihr hier großen Wert auf persönliche Interaktion legt. Wie äußert sich das in eurer Freizeit?

Anna: Es ist eigentlich jedes Wochenende jemand da; meine Geschwister wohnen in Berlin, und viele Freunde nutzen die Chance, mit uns hier Zeit zu verbringen. Zu zweit machen Sean und ich andere Ausflüge als früher, fahren zum Segeln an den Müggelsee, oder schauen uns das Umland an. Vergangenen Samstag waren wir in Grüna, auf dem Sommerfest eines Biobauernhofs. Ein ehemaliger Berliner hat den Vierseitenhof von seinen Großeltern geerbt, an dem er sich nun um Permakultur bemüht, und Biogemüse anbaut. Er versteht die Hofgestaltung als Community Space, und so gibt es Künstlerresidenzen, Gemeinschaftsgärten und Wohnraum für Familien.

Sonja: Hast du – als Trendforscherin – den Eindruck, dass um das Leben auf dem Bauernhof ein Hype entsteht?

Anna: Nun, auf dem Sommerfest befand sich eine gute Mischung an Leuten. Ich habe einige Gesichter getroffen, die ich aus Berlin kenne, aber auch aus dem kleinen Dorf nahmen viele Menschen teil, die offen für Zuzug sind. Ich saß neben einer lebhaften, älteren Dame, vielleicht Ende 70, die ihren Hof kurz nach der Wende gekauft hat, und ihrer Tochter, die gerade von den Malediven zu Besuch war, wo sie eine Tauchschule betreibt. Das war eine verrückte Begegnung, in diesem Fünf-Häuser-Dorf, mitten in Brandenburg. Die beiden Frauen erzählten mir, dass mittlerweile fast alle Höfe im Umkreis von Berlinern gekauft wurden. Auch in Jüterbog selbst hätte sich das Stadtbild in den letzten zehn Jahren wohl sehr stark verändert.

Sonja: Ist es Hoffnung der Bewohner, dass das Stadtbild gepflegt wird? Oder kommt es ihnen invasiv vor und lässt sie mit der Angst zurück, dass alles befremdlich anders und moderner wird?

Anna: Ich höre immer wieder positive Stimmen, dass die Veränderung der Stadt gut tut, vor allem, was die Jugendlichen vor Ort betrifft. Ich träume davon, nicht nur in unseren vier Wänden künstlerische Arbeit zu schaffen, sondern auch beispielsweise an der örtlichen Volkshochschule einen Druckkurs zu geben, oder mich anderweitig einzubringen. Häufig unterhalten wir uns über die Entwicklungen in Jüterbog auch mit dem einstigen Stadtschreiber, der nebenan arbeitet. Einem so geschichtsträchtigen Gebäude, samt Stasi-Vergangenheit und Gefängniszellen, mutet natürlich etwas Unheimliches an. Unser Nachbar bestärkt uns aber kontinuierlich in unserem Vorhaben, diesem Ort eine neue Seele einzuhauchen.

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